Mit Urteil v. 9.11.2016, Az. VIII ZR 73/16 hat der BGH über den Fall einer 97-jährigen bettlägerigen Mieterin in München entschieden. Trotz der zuzurechnenden Pflichtverletzung durch ihren Pfleger müssen bei der Entscheidung, ob ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 543 BGB vorliegt, auch die möglichen gesundheitlichen Schäden der Beklagten berücksichtigt werden.

Die Mieterin bewohnt seit mehr als 60 Jahren eine Dreizimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus. Eine zweite angemietete Wohnung in demselben Mietshaus wurde ab dem Jahr 2000 dem zweiten Beklagten zur Verfügung gestellt. Dieser ist seit dem Jahr 2007 ganztägig als Pfleger der Mieterin tätig.

Seit mehreren Jahren kam es zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen dem Pfleger und dem Vermieter, aber auch zwischen ihm und Nachbarn und der Hausverwaltung.

Nach einer verbalen Eskalation hat der Vermieter die fristlose Kündigung nach § 543 Abs.1 BGB ausgesprochen. Der Pfleger hatte den Vermieter und mehrere Mieter des Hauses in einer E-Mail als „sehr feindselige und sehr gefährliche terroristische nazi ähnliche braune mist haufen“ beleidigt.

Das LG München hatte der Klage stattgegeben, denn „Bei derart groben Beleidigungen liege die Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Mietvertrages für die Klägerin auf der Hand“. Außerdem müsse sich die Beklagte das Verhalten ihres Pflegers zurechnen lassen.

Um die drohende Räumung abzuwenden, haben die Beklagten vorgebracht, ein Umzug der 97-jährigen sei mit zu hohen gesundheitlichen Risiken verbunden und daher ausgeschlossen und der Pfleger sei für die Vollzeitversorgung seiner bettlägerigen Patientin verantwortlich.

Das Berufungsgericht befand jedoch, dass diese persönlichen Härtefallgründe erst in Rahmen einer späteren Zwangsvollstreckung im Wege eines Vollstreckungsschutzantrages nach § 765a ZPO zu prüfen seien.

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

543 Abs. 1 Satz 2 BGB schreibe ausdrücklich vor, dass eine Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien sowie eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen habe.

Daraus ergebe sich, dass die persönlichen Härten für die Beklagten nicht erst in der späteren Zwangsvollstreckung zu berücksichtigen seien – sie seien vielmehr bereits in die Abwägung einzubeziehen, ob tatsächlich ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegen würde.